Fund in einem Altweistritzer Grundstein

Im Jahre 2012 wurde in Altweistritz – eingemauert in den Grundstein einer alten Scheune – ein Bündel handbeschriebener Papiere gefunden, die sich als hochinteressantes Zeitdokument aus dem Jahre 1912 entpuppten: Bauer Gebhardt beschreibt hier auf zehn langen Seiten ganz detailliert die Lebensumstände in seiner Familie und in seiner Umgebung. Ob Lebensmittelpreise oder Handwerkerlöhne, ob Wetterbedingungen oder Missernten, Grundstücksverkäufe oder der Einzug moderner Zeiten in Habelschwerdt : Nichts wird ausgelassen.
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Der Fundort
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Beispiel aus einer Originalseite
 
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 Die zehn Seiten dieses Dokumentes sind in sehr freier Orthographie und Interpunktion  gehalten, häufig auch durchsetzt von mundartlichen, in "Lautschrift"  wiedergegebenen Ausdrücken. So musste für die Wiedergabe auf dieser Seite kräftig redigiert werden.
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Bauer Gebhardt hatte auch daran gedacht, Fotos beizufügen:
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 Hier der von Grundsteinleger Bauer Gebhardt verfasste Text:
 
" Urkunde Mai 1912 "
Nach Neujahr 1911 kamen wir zum Entschluss, die Scheuer zu bauen, kauften 22000 Feldofenziegel – großes Format – von Frau Heinze über der Neißbrücke am Bahnhofsberg (?), fuhren diese im
März an und setzten sie an Häuser u. deckten sie ein, schlugen etwas Holz ein, das andere Holz fällten wir 1912, fuhren dasselbe in das Sägewerk zum Schneiden nach Habelschwerdt. Die Zimmerleut beschlagen das Holz nicht mehr. Da wurden statt schönen Bretter nur Schwarten . Viele Fuhren Steine waren von der Schlösselkoppe
(Brandbusch?), die übrigen Steine vom Fübigsberg (Fiebigsberg?) von der Altweistritzer Krümmung nach der Stadt, am Berge links.
Die ersten Spatenstiche wurden am letzten Osterfeiertage 1912 gemacht. Es wurde am Morgen ausgesteckt. Es war eine böse Arbeit. Es wurde vom Hof aus am Wohngebäude nach links schräge Giebel, und wenn man nach rechts ging, wurde die Giebelseite wieder schräge. Von Vater und Sohn und dem Maurerpolier Urner aus Altlomnitz wurde dieses ausgeführt. Brachten den ganzen Vormittag dabei zu. Die alte Scheuer stand noch.
 
Sie wurde erst am 23. April eingerissen. Es wurde so weit  raus gegangen, daß es zu späteren Bauzwecken nicht finden sollte und die Baupolizei so am besten einverstanden war: 3 Meter vom Wohnhause weg.
Es wurde geplant, die Düngerstätte hier zu verlegen, durch den Hof den Dünger wegzufahren, vorhin
vor der Pferdekripp zur Dreschmaschine an der Seite, welche 1885 aufgestellt wurde. Die Maschine musste auf dem hinteren Tenn stehen, sonst war kein Platz. Die Dreschmaschine , eiserne Schlag....(?) wurde durch eine Stiftdreschmaschine ersetzt. Der Gepel (?) ist noch der alte. Der Pferdetrieb sollte als Durchfahrt benutzt , obig diesem ein Getreideboden angelegt, da auf dem Wohnhause der schwarze Getreidewurm hauste. Einen zweiten Tenn an-
zulegen wurde abgeraten, die neuen Tennbohlen /Tennpfosten sind auch von äußerer (?) Länge. Die anderen 2 Gebäude, Heustall und  Auszugshaus, sind von Holz mit Schindelbedachung. Es gibt auch kleine Boden darauf. Im Auszugshaus bei der Straße am Oberort ist der Keller. Beide sind 18 Meter lang.
                         
Am 10. April in den Morgenstunden ward der Eckstein zu dieser Scheuer gelegt, an der West-Nordecke, und
ich habe im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit die üblichen drei Hammerschläge. Nach Aussage meiner
Mutter soll ich auch 1857 beim Bau des Wohnhauses an der Südwestecke durch die Führung der Mutter
Hand auf den Grundstein geschlagen haben. Der Bau des Wohnhauses wurde durch Baumeister Schumann
ausgeführt. Es ist einstöckig. Die unteren 9 Räume, Stuben, Ställe, Gewölbe, Hausflur, alles ist gewölbt und mit gewöhnlichen Ziegeln gedeckt. Mit der einen Giebelstube haben wir gar keine Bequemlichkeit. Alle Räume sind sehr feucht. Meine Eltern hatten zu diesem am 19. März 1857 (am Josephstag) ausgesteckt und sind im Oktober zur Kirmes , 24sten, in dasselbe eingezogen.
Das Bauen ist dazumal viel billiger gewesen gegen heute. Der heutige Baumeister ist Emil Krumbach aus Habelschwerdt, ein teurer Vetter.
Der Polier bekommt 46 Pfg. für die Stunde Arbeit. Der Geselle 38. Für den Handlanger 25-27 die Stunde.. Von diesem zieht sich der Meister 5 Pfennige von allen dreien gleich auf Groschen ab. Das Marken versichern ist auch wieder gestiegen.
Die erste Woche ausgezahlt 17 M 96, II te 87 Mark 27, III. 197 Mk 44 Pfg., IV. 156M. – Diese Woche sind diese Männer wieder da und sechs Zimmerleute. Da langen 300 Mark nicht.  Steinmetz Bildhauer Benzinka (?), Habelschwerdt,
gravierte in den Schlößelkopfstein (?) für 5 Mark   AG 1912.
Wenn Ihr Nachkömmliche, wer Ihr immer sein mögt, in diesem Steine mit der Jahreszahl 1912 diese Kupferbüchse
findet, welche mir der Klempnermeister Töpfer aus der Stadt für 1 Mark 50Pfg. gemacht hat, sind wir beide
nicht mehr. So bitte ich sehr schön: Diese nicht wegwerfen, sondern dasselbe so weiterführen. Lasst auch diese
paar Pfennige nicht r...(?). Ich bitte Euch nochmals:
Ehret das Andenken Eurer Vorfahren in einem Vaterunser !
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„Urkunde geschrieben am 5. Mai 1912, am Titularfeste der Brüderschaft Jesu Christi am Kreuze von dem Bauergutsbesitzer Amand Gebhardt zu Altweistritzgeboren den 12.01.1857, gehöre genannter Bruderschaft an, so wie auch meine Vorgänger derselben angehört haben. Mein Vater war der Bauer Amand Ignatz Gebhard, geboren den 1. März 1817 hier. Der hatte 4 Geschwister: Bruder Franz, Schwester Theresia in Krotenpfuhl, Johanna und Mariana starben ledig, so wie auch Bruder Franze. Der verunglückte am 20.Nov. (3 Uhr) 1889 auf dem Berge (Wald) ......(?).. so dass ihn die Pferde umstießen und der leere Leiterwagen über ihn ging, so daß noch gegen Abend der Tod eintrat.- 65 Jahr alt.
Mein Vater Amand Ignatz war verheiratet mit der Bauertochter Franziska Hauck aus Seitendorf bei Rosenthal, welche am 15.Aug. 1815 dort geboren und am 1. April 1887 zu Altweistritz gestorben ist. Ihre Eltern waren Edmund Hauck und Rosalia geb. Hatscher aus Lichtenwalde. Edmund Hauck war der Freirichtersohn aus Lichtenwalde, kaufte sich bei der Verheiratung mit der Rosa die zweite Bauerstelle von oben herab in Seitendorf von einem gewissen Winge. Sie und 240 Morgen Gras, zu Flachsbau geeignet. Der heutige Besitzer heißt Hauck und ist aus dieser Verwandtschaft.
Die Eltern von meinem Vater waren der Bauer Joseph Gebhard, seine Frau war Johanna Folkmer aus Verdeck, heute geschrieben Werdeck. Im Kirchenbuche, das ich mir heute aufschlagen ließ, stand es so. Und der Name Gebhardt war Gebhard geschrieben.
Die Bauernstelle, auf der ich und meine Vorfahren gehaust haben, war früher 66 Morgen groß, führte die Hypotheken No.88 von Altweistritz. Der Auengarten von der Schule am Wasser bis zur Wassergasse links bei der Straße ist inbegriffen. Am Garten steht ein kleines Haus, das Patzelt-Haus. Die Familie ist ausgestorben bis auf eine ledige Person, die Anna. Die hat vor 16 Jahren 5 Jahr für Magd bei uns gedient. Sie war da, wie der Joseph zur Welt kam am 7. April 1902. Sie geht in der Nachbarsfabrik bei Exner auf Arbeit. Dieser Garten gehörte damals zur Wirtschaft. Den Garten obig der Gasse bis zu Exners Graben und den Garten über dem Wasser am Rande mit dem Hause an der Straße, Hypotheken No.87, kaufte mein Vater von einem gewissen Päschel August für 780 Reichstaler im Jahre 1867. Und zuvor, im Jahre 1862, kauften meine Eltern ....(Satzende fehlt)

II. .... Meine Mutter war hauptsächlich für Lüsch (?) angenommen von Brauner Joseph, der die vierte Wirtschaft obig der unsrigen, die Brauner Franz-Wirtschaft dis... in Teilen verkaufte, weil der Besitzer ein dem Trunke ergebener Mann war. Die zu dieser Wirtschaft gehörige Waldparzelle war über 13 Morgen für 1000 Reichstaler oder 3000 Mark .
Von dieser Parzelle wurde das Holz zur neuen Scheuer herausgeschlagen, Lichtschlag, was krank war und wie es gebraucht wurde.
Als mein Vater am 22. April 1885 starb, denn er wurde, als er 60 Jahre war (zu der Zeit lag meine Mutter krank an Wassersucht) vom Schlage gerührt, so gelähmt auf der rechten Seite hat er noch 8 Jahr geschleppt, - da übernahm ich als einziges Kind (am Leben) aus dessen Ehe die Wirtschaft, die ich schon früher gekauft hatte, und trat in die erblichen Rechte seines Vermögens ein, denn er war ein sehr arbeitsamer, sparsamer Mann gewesen. Sparsam müssen auch seine Eltern gewesen sein, denn ich fand ein Schriftstück, da ward geschrieben, dass 1816 oder 1818 einige Hundert Reichstaler Geld ausgeliehen ward.
Ich konnte ja nicht so arbeiten, denn ich ward schwach von Person, - musste mich auf die Leute verlassen. Und so habe ich bloß gesehen, den väterlichen Besitz zu erhalten. Da 1900 ein angrenzendes Waldgrundstück aus der zweiten Wirtschaft obig uns zu kaufen ging und mir angeboten wurde, 34 ½ Morgen gekauft für 4200 Mark, die ich auf dem Grundbuchblatte von Altweistritz auf eine Steuernummer schreiben ließ. Dieses Grundstück enthielt in der Mitte eine Wiese und ringsherum Gesträuch, das man Waldblöße nennt. 1905-1906 und –7 habe ich Teile links oben am Teuberwege und unten ein Teil mit Fichtenpflanzen besetzt, die ich selbst gezogen hatte. Paul Stumpf war der Buschmann, wie man sagte, er hatte die Aufsicht. Besitzt ein Wirtschaftel unter dem Busche und gehört zur Gemeinde Glasendorf. Der Zuführeweg nach diesen Waldparzellen führt an den Glasendorfer Grenzen an Hofefelde (?) herunter. Es ist ein öffentlicher Weg. Es steht auch das Recht zu, über Glasendorf zu fahren nach Landrätlicher Verfügung zollfrei der Chaussee nach Altweistritz. (?) Durch Ankauf hat sich die Besitzung vergrößert: 30 Hektar, 120 Morgen.
                                   
  III. Nach dem Tode meiner Mutter führte die Schwester des Vaters (die Mariana) die
häusliche Wirtschaft. Sie war die letzte Zeit sehr geschafft. Sie starb so plötzlich an Gehirnschlag am 19. September 1887. Da war ich genötigt, mich um eine andere Wirtin umzusehen.
Am 24. Januar 1888 führte ich die Bauerntochter Anna Scholz aus Altweistritz als Gattin heim, und so sind wir 24 Jahr beieinander. Uns schenkte der liebe Gott 3 Kinder: 27.11.88 ein Mädchen, Philomena, die 13 Jahr alt an Abzehrung starb.
5.6.90 das zweite Mädel, die Martha, den siebenten April 1892 den Sohn Joseph Franz, der, heut 20 Jahre alt, die Ursache und Stütze zum Baue der Scheuer ist.
Der Vater von meiner Frau war der Bauergutsbesitzer Benedikt Scholz. Die Wirtschaft liegt auf der Hochseit schräge über der Chaussee-Krümmung und liegt nach der Wustung zu. Da sein Sohn, der noch ledig war, Benedikt hieß wie sein Vater, 3 Wochen nach dem Vater starb, wurde die Wirtschaft von den Erben an einen Sohn von der Tochter des Scholz-Vaters, Kastner Franz, verkauft. Dieser sündigte auch dann gleich so, dass er einen hinteren Teil der Wirtschaft (Wald) an die Stadtgemeinde verkaufte. Viele andere Besitzer machten es ebenso: schlugen das Holz runter und verkauften Buschgrundstücke der Gutsherrschaft der Stadt. Der eine verkaufte sogar von seiner Wirtschaft, welche 180 Morgen groß war, 100 Morgen, die größte Hälfte. Die Gemeinde kaufte im Niederdorf eine Brandstelle Bauerwirtschaft, behielt sich 50 Morgen an der Grenze gegen Langenau und verkaufte den vorderen Teil wieder. Dieses war 1910-11.
(Der) derzeitige Gemeindevorsteher (Scholze) war mein Nachbar Joseph Brauner, erster Schöffe der Fabrikbesitzer u. Amtsvorsteher Exner, der zweite war ich , Gebhardt, der dritte Bauer Tenzer, der vierte, Stellenbesitzer Grolmes, war auch Fleischbeschauer. Ich, Gebhardt, wurde um 1900 innerhalb 14 Monaten 3mal eidlich verpflichtet als Schöffe, Waisenrat, Schiedsmannstellvertreter und Schulvorsteher. Vor der letzten Sache zog ich mich immer zurück, musste es dann, als ein dritter notwendig wurde, annehmen. Aber es war nicht gut, auch Nachbar zu sein, denn ich konnte doch nicht alles bewilligen, was die Gemeindevertretung verlangt. Gemeindevertretung besteht bereits 30 Jahre hier.

IV.  Der derzeitige Vorsitzende des Kreise Habelschwerdt ist der Graf Finck von Finckenstein .Der Großdechant der Grafschaft Glatz Doktor Edmund Scholz zu Grafenort .
Derselbe war früher Schulpräfekt von Habelschwerdt, feierte vor einigen Jahren das 50jährige Priesterjubiläum. Sein Vorgänger war dort Hohaus Großdechant, Pfarrer von Habelschwerdt.
Der jetzige Pfarrer der Stadt ist Pius Jung, ein Bauersohn aus Gläsendorf bei Mittelwalde. Der Bürgermeister der Stadt heißt Geisler. Er unternimmt viele Bauten für die Stadt. Sein Vorgänger hieß Schaffer. Der tat wenig, - der fuhr lieber zum Weine nach Grünborn (Österreich). Geisler trinkt ihn in der Stadt. Die Stadt legte Elektrisches Werk an zu Licht und Kraft. Das Werk steht an der Kressenbach. Vorigen Herbst wurde die Hospitalbrücke umgebaut aus Beton. Der Wasserlauf wurde tief gelegt. Dabei muss die Wasserkraft für eine Mühle entfernt angekauft werden. Eine schöne öffentliche Badeanstalt und eine Villa für den Bürgermeister wurde gebaut. Die Knabenschule, vor der das Denkmal steht, wurde vor einigen Jahren gebaut. Wasserleitung hat die Stadt schon die dritte, weil ich es weiß, bei der jetzigen werden sie wohl bleiben. Der Schlachthof wurde auch vor einigen Jahren erbaut. An der Glasendorfer Straße das Kreishaus wurde schon was früher erbaut. Das Schullehrer-Seminar wurde Ende der Siebzigerjahre vor 35 Jahren gebaut, - zuvor war es einige Jahr zur Miete an der Marktseite am Ringe. Am Ringe war früher Getreidemarkt jeden Sonnabend um 11 Uhr vormittags. Um 12 Uhr war Verkaufsschluss. Die Säcke mit dem Getreide wurden in eine Reihe gestellt, von jeder Sorte einer aufgebunden. Auf der Häuserseite standen die Landleute hinter den Säcken, auf dem Pflasterplatz gingen die Käufer die Reihe entlang. Wer verkauft hatte, band den Probesack zu. Wenn es faul ging, blieben die Säcke lange offen. Mussten die Getreidesäcke, wenn keine Kauflust war, in die Häuser einsetzen – bis zum nächsten Markt – oder mit nach Hause nehmen. Diese Handlungsweise hat sich von selbst aufgehoben. Es ist nicht mehr. Der Händler-Jude kauft nach Muster an der oberen west-nördlichen Ringecke oder im Hotel, wenn Kauflust ist („ Hats was, was haben Sie?“) Wenn nicht, lässt sich keiner sehen, oder es wird ihm angeboten.
                                                                                            
 
Nach dem 70-71er Kriege waren die Zeiten gut. Durch die fünf  „Milionarden“ kam Geld ins Land. In den 70er Jahren wurde bei uns die Eisenbahn gebaut. Ging das Getreide gut, war auch viel Arbeit und Verdienst mit Hand- und Spanndienst. Wenn sie fertig war, wurde von auswärts bezogen.
Früher war es eine Seltenheit, wenn einer auf einem Dreirade fuhr, - jetzt hat bereits jeder Bursche ein Zweirad. Auch viele Damen fahren. Vor einigen Jahren tauchte das Automobil auf. Das war was Seltenes, und heute rast in aller Eile bald hie, bald da ein solcher Kraftwagen vorbei. Aufgewirbelten Staub, stinkenden Benzingeruch, scheu gewordene Pferde mit Unglücken hinterlässt es nach seinem Verschwinden zurück. Die Wagehälse versuchen auch zu fliegen in der Luft. Was wird da in 100 Jahren alles geboten werden? Das soll einen wundern, wenn das so fortschreitet wie es unter einigen Jahren der Fall war. – In einer Zeitung wurde geschrieben, es wurde Kriegsfall angenommen, ein Luftballon stieg auf, flog bei günstigem Wind schnell. Der Leutnant, der mit seinem Rade in demselben war, hatte den Auftrag, sich bei dessen Landung zur nächsten Poststation zu begeben und eine Depesche aufzugeben. Der Ballon wurde von anderen mit Automobil verfolgt. Diese sind so schnell gefahren, auch durch das Wasser, und sie haben den Leutnant zuvor gefangen, ehe er die Poststation erreichte. 80 Kilometer per Stunde. Fahren schneller wie die Eisenbahn. Der Kreisphysikus (Arzt) Dr. Franz Ludwig besitzt auch eines. Erfährt auch sehr schnell. Der Arzt Otto Ludwig (beide sind nicht verwandt) beschafft sich auch eines, das 34 Pferdekräfte hat, wofür er 75 Mark Steuer zahlt. Die anderen Ärzte sind Futter, Habelschwerdt, und Hoffmann. Außer der Apotheke sind zwei Dogerie-Handlungen. Kreis-Schulinspektor ist Schulrat Vogt. Am Oberringe wurde eine Wettersäule errichtet. Das Eckhaus am Oberringe neben der Apotheke, Südwest-Ecke, ist eine Kornbranntwein-Brennerei. Von da muss der Schnaps sein. Wer da Besitzer ist, kommt zu Vermögen. Die Pfarrkirche soll größer gebaut werden. Wenn das werden wird? Die Vorgesetzten sind nicht einig. Die Regierung sagt ihre Meinung dazu.

  Bitte Bitte Bitte ...
....die Nachkommen-Besitzer der Bauerstelle nochmals dringend, die Kupferbüchse mit den Urkunden nicht zu verwerfen. Ihr braucht es ja bloß weiterzuführen, es kost Euch ja nichts.
Verzeiht mir die fehlerhafte Schrift, - die Zeit drängt.
Die Zeiten sind schlecht. 1910 war sehr ein nasses Jahr. Das Heu verfaulte frühzeitig. Wer spät anfing zu hauen, - es verfaulte auch, denn es lag auf dem Wasser. Das stand überall. Getreide, Roggen und Gerste konnte beregnet eingeheimst werden. Dann schnappte es ab. Wie am 8. September die Manöver-Einquartierung da war, lag das Habergetreide noch draußen. Es faulte herunter. Was noch dran war, war schwarz. Die Zeitung schrieb „Wir kaufen schwarzen Hafer – Gebrüder Schwenk“ (Juden). Diese ließen ihn schroten, so ging er aus der Hand.
1911 war so trocken. Es regnete den ganzen Sommer nicht. Es war Futtermangel. Grund gab´s keins, Wiesen ausgebrannt. Der in das Getreide gesäte Klee war ausgetrocknet.
1912: Dieses Jahr gibt’s keinen Klee. Was werden wir dieses Jahr füttern? Der eine hatte voriges Jahr Kartoffeln, der andere nicht. Ich habe auch die Samen-Kartoffeln (?) gekauft. Die Körner, die voriges Jahr..waren schön, hatten sehr viel Mäuse. Die Wintersaaten waren so schön. Da ist dieses Jahr wieder eine Schaltjahr. Kalt und trocken. Der Roggen steht so dünn und spießig, die zeitigen Sommersaaten sind sehr erfroren. Das Fleisch ist teuer: Schweinefleisch 90 Pf das Pfund, auch 80 Pf.    
Rindfleisch 70 Pf , Kalbfleisch das Pfund 20-80 Pf, Schweinefett 1,2 Pfg.
Es hat keine Milch, da gibt es keine Butter. Die kostet das Pfund 1,40-1,50.
Für 15 Stück Eier werden April und Mai 80 Pf gezahlt. Eier können wir verkaufen, - da hat es welche., aber keine Butter.
Vieh im Stalle und Butter kaufen: schlecht Geschäft!
Wir haben fünf Dienstboten: Ein Knecht – 230 Mark Lohn. Zwei Mägde: die erste 180 Mark,
165 Mark die zweite. Einen Jungen, der die Pferde mitfüttert: 1,20 Mark. 80 Mark das Stubenmädel.
Diese bekommen ¾ Pfund Butter die Woche. Wenn keine ist, muss sie bezahlt werden. Sie sparen auch welche. Viermal Fleisch die Woche, ein Weihnachtsgeschenk, Geld, Wäsche, Kleidung,
von 5-9 Mark für einen Dienstboten. Die Löhne sind hoch, Leute sehr knapp. Zum Bauern mag niemand. Jedes will sein eigener Herr sein. In die Fabrik nach der Stadt, - weit fort. Es schaut nichts heraus.

In hiesiger Gemeinde sind zwei Lehrer angestellt, der Hauptlehrer heißt Paul Berger. Er hat die Schwester vom Vorsteher Nachbar Brauner zur Frau. Er hat eine starke Familie: 10-11 Kinder. Er ist auch Bienenzüchter, hat viele Völker, - 12-15 Stöcke. Der zweite Lehrer ist ein Adjuvant, bekommt bereits auch so viel Lohnung wie der Hauptlehrer: 1340 Mark. Der erste Lehrer hat mehr Sold: Getreidegeld, Wiesennutzung, Holz. Geld bekommen sie beide. Die Schule wurde vor einigen Jahren umgebaut, denn der Lehrer hat mit seinen Kindern nicht mehr Platz. Die Wohnung war feucht, der Schwamm war darin. Es wurde von der Provinzialhilfskasse 14000 Mark Geld aufgeborgt, später noch einmal 5000 Mark auf den Gemeindewaldgrundstück, das weniges und dieses Jahr angepflanzt wurde. Wegen diesen Schulden sind wir von 90 Prozent auf 220 gerutscht. Ich gab früher 14 Mark Gemeindesteuer und jetzt 28 Mark noch so viel das sieben Mal das Jahr. (?) Das aufgeborgte Geld soll in 40 Jahren mit den Zinsen bezahlt sein. Muss 26 Mark Land- und Forstwirtschaftlichen – Unfallgeld zahlen. Die hohen Einkommensteuern mit 10 Prozent Zuschlag, Vermögens- und Ergänzungssteuer mit ebensoviel Zuschlag. Am Landratsamte sitzt so ein junger .... von ..zige. Das ist die Steuerschraube. Der muss immer sehen, dass er mehr herausbringt. Ich habe 10 Jahre als gewähltes Mitglied die Voreinschätzung mitgemacht. Die sehen einem in die Tasche. Im Reiche sind die Geldverschwendungen. An etwas sparen, das geht nicht.
Gemeindemitglieder beabsichtigen eine Wasserleitung anzulegen. Es war ein Oberingenieur da, der da gemessen und einen Kostenanschlag gemacht hat. Das kostet aber wieder viel Geld. Dann ist wieder noch mehr zu zahlen. Es sollen Hydranten aufgestellt werden, - 30 Stück, bei Feuersgefahr. Das Wasser soll in Nieder-Neuweistritz rauf links (?) bei Mandel u. Ratmann gefangen werden, auf den Feldern in Ober-Altweistritz ein Bassin angelegt werden. Das Wasser ist einwandfrei von dem Kreisarzt befunden worden.
In den Ortschaften .....
.......Altlomnitz, Ebersdorf, Oberlangenau sind solche angelegt. Die Ortschaften haben aus dem Ostfond (?) Beihilfe bekommen. Es heißt zwar, die Quelle ist erschöpft, aber es wird versucht werden. Es wäre bei uns auch kein Leichtes (?) , denn durch die Papierfabrik wird das Flusswasser so verunreinigt, dass die Fische sterben. Das Wasser kommt in allen Farben: Rot, Grün, Blau, Gelb, große fette Spangen (?), Holzfetzen und –fasern. Eine solche Schweinerei.
Wie ich jung war, gab es noch keinen so hohen Schornstein. Es war in Habelschwerdt unter der Stadt bei der Neisse eine Streichholzfabrik. Schwefelphosphorhölzer wurden getunkt. Es war ungesund. Den Leuten wurde das Gesicht böse, die Zähne fielen ihnen heraus. Zu diesen Hölzern lieferten jeden Sonnabend die armen Leute von der Grenze die Holzschachteln. Die waren mit ihren großen Säcken schon um 9 Uhr früh da am Lagerraume und mussten bis 3-4 nachmittags warten, ehe sie nach Haus konnten. Später fing es dann an, und es wurde eine Fabrik nach der anderen gebaut. Dabei wurden der Landwirtschaft die Arbeitskräfte entzogen, und es gibt heute nichts als solche Rauchfässer, die die Luft verpesten. Die sollten über Nacht alle einmal einfallen! Die würden aber bauen wie die Ameisen den Haufen.
1882 fiel ein Wolkenbruch, und es ertranken in „Veugsdorf“ (Voigtsdorf?) und Spätenwalde viele Leute und auch Vieh. Der Schlamm und Sand lag ein Fünftelmeter hoch im Garten und Hofe. Die Schlossen zerschlugen 1889 die Feldfrüchte, dass nichts mehr davon zu sehen war. Hafer habe ich von dieser 2 Sack ausgedroschen, das waren keine Körner, bloß Hülsen. Einmal kam nach der Ernte ein Hagelwetter, die schlugen Löcher in die Erde. Das Erdreich war wie geackert. Am 16. Mai 1910 fiel in Ober-Altweistritz und Nieder-Neuweistritz und
und Spätenwaldeein Wolkenbruch, da hat es die Gasse beim oberen Gasthause Verbindungs- weg zur Reinerzer Chaussee so zerrissen. In dem einen Loche konnte ein Mann stehen, - der kam nicht heraus. Solche Naturereignisse quälen die Menschheit. Ich muss aufhören. Es ist 3 Uhr morgens. Heute soll der Stein eingemauert werden. Kann nicht mehr schreiben. Es kommen noch einige wertlose alte Münzen hinein.

Besten Gruß Gebhard
 

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  Aus dem Habelschwerdter Kreisblatt 1907 : Schöffe Amand Gebhardt  ***********************************************************************************************************************
 
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Auch bei den Papieren gefunden:
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Ausschnitte aus den obigen Fotos
 
 


 

 
 
 
 

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